Baukonjunktur 2024 / 2025: Nachfrage nach Bauleistungen bleibt hinter Investitionsbedarf zurück

Umsatzrückgang von 4 % (real) für 2024 und von ca. 2,5 % für 2025 prognostiziert

„Die Bauwirtschaft steht weiterhin vor erheblichen Herausforderungen. Die Nachfrage nach Bauleistungen ist in den Hochbausparten schwach ausgeprägt. Dem Wohnungsbau fehlen weiter Impulse, die Konjunkturlage in der verarbeitenden Industrie drückt nun zunehmend auf den Wirtschaftshochbau. Die Konjunkturentwicklung im Bauhauptgewerbe bleibt zweigeteilt. Einer verfestigten Nachfrageschwäche im Wohnungsbau und Wirtschaftshochbau steht eine intakte Nachfrage im Wirtschaftstiefbau gegenüber. Treiber sind hier die Energie- und Mobilitätswende. Der Umsatz im Bauhauptgewerbe wird 2024 voraussichtlich knapp 160 Milliarden Euro erreichen. Dies entspricht einem nominalen Rückgang von 2 Prozent, unter Herausrechnung der Preisentwicklung von zwei Prozent, einem realen Minus von 4 Prozent.

Die Geschäftserwartungen unserer Unternehmen für 2025 sind verhalten. Es zeichnet sich eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau ab. Die Unternehmen blicken nicht mehr tiefer ins Tal der Krise, sondern orientieren sich zunehmend entlang der Talsohle. 2025 dürfte das fünfte Jahr in Folge mit realen Umsatzverlusten sein: Die Umsätze werden bei einer Preisentwicklung um 2,5 Prozent um real2,5 Prozent sinken“, kommentiert Wolfgang Schubert-Raab, Präsident Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), die Konjunkturzahlen der Bauwirtschaft 2024 /2025.

Trotz eines anhaltend hohen Investitionsbedarfs bleibt die Nachfrage nach Bauleistungen in allen Bausparten schwach. Seit 2021 sind die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe real um 13 Prozent zurückgegangen. Laut einer aktuellen Umfrage des ZDB, an der über 1.600 Unternehmen teilgenommen haben, bleibt der Mangel an Aufträgen der häufigste Baubehinderungsgrund. Dies dämpft nicht nur die Investitionsbereitschaft, sondern hemmt auch die Einstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Schwache Nachfrage Wohnungsbau

Im Wohnungsbau wirkt sich die unzureichende Neubauförderung aus. Von den jährlich angestrebten 400.000 Wohneinheiten (WE) wird Deutschland weit entfernt bleiben. Für 2024 werden nur noch 250.000 bis 255.000 Fertigstellungen erwartet, ein deutlicher Rückgang gegenüber 294.400 WE im Jahr 2023. Die Rahmenbedingungen – stark gestiegene Bau- und Finanzierungskosten – bleiben ungünstig. Die Nachfrage nach Baugenehmigungen stagniert auf niedrigem Niveau: Die Reichweite der Auftragsbestände hat sich stabilisiert und liegt im September 2024 bei gut fünf Monaten. Dies deutet darauf hin, dass die Talsohle der Nachfrage im Wohnungsbau erreicht ist. Für 2024/2025 wird mit weiteren realen Umsatzrückgängen im Wohnungsbau von 14 Prozent 2024 und 7 Prozent im Jahr 2025 gerechnet.

Unterschiedliche Dynamik im Wirtschaftsbau

Der Wirtschaftsbau entwickelt sich differenziert: Während der Wirtschaftshochbau von einem realen Umsatzrückgang um 7 Prozent im Jahr 2024 und weiteren 4,5 Prozent im Jahr 2025 betroffen ist, zeigt der Wirtschaftstiefbau eine deutlich robustere Entwicklung. Investitionen in Infrastrukturprojekte – vom Schienenausbau über Stromtrassen bis hin zum Breitbandausbau – sorgen hier für anhaltende Nachfrageimpulse. Der Wirtschaftstiefbau verzeichnet in beiden Jahren real positive Wachstumsraten von 9 Prozent (2024) bzw. 4,5 Prozent (2025). Er wird erstmalig umsatzstärker als der Wirtschaftshochbau sein.

Öffentlicher Bau: Investitionsstau gefährdet Infrastruktur

Kommunen, die 60 Prozent der öffentlichen Bauinvestitionen tragen, kämpfen seit über zwei Jahrzehnten mit negativen Nettobauinvestitionen. Laut KfW-Kommunalpanel ist der Investitionsstau allein in den Kommunen bis 2023 auf 186 Milliarden Euro angestiegen. Es besteht dringender Handlungsbedarf

Der Investitionsstau wird durch unzureichende öffentliche Budgets weiter verschärft. Hinzu kommen aktuelle Herausforderungen durch die vorläufige Haushaltsführung ab 2025, die geplante Projekte verzögert und Kapazitäten im Bauwesen gefährdet.

Für 2024 wird der Umsatz im öffentlichen Bau auf rund 47 Milliarden Euro geschätzt, ein realer Zuwachs um drei Prozent. Für 2025 wird mit Stagnation gerechnet. Nur durch strukturelle Reformen und eine verlässliche Finanzierung kann der Investitionsstau nachhaltig abgebaut werden.

ZDB-Präsident fordert einen Neustart Bau

ZDB-Präsident Schubert-Raab fordert einen Neustart Bau mit strukturellen Reformen und klaren politischen Weichenstellungen: „Das Baugewerbe ist unverzichtbar für die Bewältigung zentraler Herausforderungen wie Wohnraumbeschaffung, Infrastrukturentwicklung, Energiewende und Klimaschutz. Mittelständische Bauunternehmen, die 70 Prozent des Branchenumsatzes erwirtschaften, tragen als Rückgrat der Wirtschaft 85 Prozent des Wohnungsbaus und 60 Prozent des Infrastrukturbaus in Deutschland. Angesichts sinkender Baugenehmigungen, hoher Zinsen und sanierungsbedürftiger Infrastruktur ist ein politischer Neustart Bau unumgänglich. Wichtig dabei sind verlässliche Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung von Bauaufgaben durch mittelständische Unternehmen.

Außerdem brauchen wir ein starkes Bauministerium, das Bauen, Sanieren und Förderpolitik in einer Hand bündelt. Eine enge Verzahnung von Klimaschutz und Baupolitik ist erforderlich, um ökologische und ökonomische Ziele in Einklang zu bringen und attraktives Bauen zu ermöglichen.

Die Bauwirtschaft ist bereit, ihren Beitrag zur Modernisierung von Infrastruktur und Wohnungsbau zu leisten, doch es braucht jetzt klare politische Weichenstellungen, um den dringend notwendigen Investitionsschub auszulösen.“

Herbstumfrage ZDB 2024: Bauwirtschaft bleibt im Spannungsfeld von Auftrags- und Fachkräftemangel.

Rund 1.650 Unternehmen haben an der Herbstumfrage 2024 des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB) teilgenommen und ein gemischtes Stimmungsbild gezeichnet. Eine schwache Auftragslage dominiert weiterhin das Geschäftsklima: Viele Betriebe können ihre Kapazitäten nicht vollständig auslasten, was die Investitionsbereitschaft sowie die Einstellung neuer Mitarbeiter hemmt.

Gleichzeitig bleibt der Fachkräftemangel, insbesondere im Tiefbau, eine zentrale Herausforderung. Diese strukturellen Spannungsfelder belasten die Branche und erfordern dringend politische und wirtschaftliche Impulse, um die Bauwirtschaft zu stabilisieren und zukunftsfähig zu machen.

(vgl. URL: https://www.zdb.de/meldungen/baukonjunktur-2024-2025, Stand: 14.01.2025)

„Es ist aktuell wirtschaftlich nicht attraktiv, Wohnraum zu schaffen“

Die Bauindustrie befindet sich europaweit in der Krise. Wie schlimm es ist und welche Maßnahmen Abhilfe schaffen können, zeigt eine Studie der Boston Consulting Group.

Explodierte Zinsen und gestiegene Materialkosten haben die Bau-Branche von einem schwindelerregenden Hoch in eine tiefe Krise gestürzt. Nicht nur Deutschland geht durch eine der schwierigsten Phasen der jüngeren Geschichte, auch in anderen europäischen Ländern ist Lage ernst. Wie tief der europäische Bausektor in der Krise steckt, zeigt eine Studie der Boston Consulting Group (BCG), die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt.

Insgesamt gingen die Baugenehmigungen im letzten Jahr in der EU gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent zurück. Der größte Rückgang wurde in Schweden verzeichnet: Hier sanken die Baugenehmigungen für Wohnungen und Häuser im Vergleich zum Vorjahr um 52 Prozent. In Deutschland konnte ein Rückgang um 28 Prozent, in Frankreich um 24 Prozent verzeichnet werden.

Mehr als 20 Prozent aller Wohnbauunternehmen in Deutschland erleben Projektstornierungen, mehr als 10 Prozent befinden sich in finanziellen Schwierigkeiten, zeigt die Studie. „Wir sehen in der Bauindustrie in allen europäischen Märkten sehr schlechte Zahlen, so schlecht wie seit 15 Jahren nicht mehr“, kommentiert Studienautor Christoph Hilberath.

Der größte Rückgang ist beim Wohnungsneubau zu erkennen. „Europaweit fehlt extrem viel Wohnraum, seit 1990 haben wir nicht so schlechte Daten gesehen“, berichtet Hilberath. Dieser Bereich sei der, den vor allem Privatpersonen zu spüren bekämen. Doch auch Unternehmen klagen über fehlende Aufträge. Das Problem liege aber nicht an der Nachfrage nach Wohnraum, sondern an der Umwandlung dieser Nachfrage in echte Projekte. „Es ist aktuell wirtschaftlich nicht attraktiv, Wohnraum zu schaffen“.

Hinzu kommt, dass es für Privathaushalte schwieriger wird, einen Kredit für den Kauf Wohneigentum zu bekommen. In Deutschland sank die Zahl der Kredite im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 49 Prozent.

Dabei ist die Bauindustrie essenziell für die europäische Wirtschaft: Investitionen in den Bau tragen zu mehr als 10 Prozent des BIPs der EU bei. Entlassungen im Bausektor und weiter steigende Mietkosten führen auch zu reduzierten Konsumausgaben, heißt es in der Studie. Außerdem könne der Wohnungsmangel industrielles Wachstum behindern, da Unternehmen wie Northvolt Schwierigkeiten Hätten, genügend Arbeitskräfte anzuziehen, um ihre Batteriezellenfabrik in Schweden zu betreiben.

Als Gründe für die Krise nennt die BCG die Zinserhöhungen der EZB, welche die Kreditverfügbarkeit bedeutend eingeschränkt haben. Außerdem liegen die Baukosten EU-weit um etwa 27 Prozent höher als noch im Jahr 2019. Dazu kommen verschärfte regulatorische Anforderungen und lange Genehmigungszeiten. In Deutschland dauern Wohnprojekte wegen neuer Anforderungen nun etwa 30 Prozent länger als 2015. „Wir sehen aktuell eine erhöhte Zahl von Insolvenzen und Standortschließungen“, erläutert Hilberath, „sollten die Aufträge also wieder anziehen, fehlen die Menschen, um die Neubaupläne überhaupt umzusetzen“.

Die BCG legt mögliche Lösungen für die Krise dar. „Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die kein Geld kosten und politisch schnell umsetzbar sind – allerdings auch nur einen begrenzten unmittelbaren Effekt haben“, schreibt Co-Autor Lucian Morariu. Dazu gehören vereinfachte Anforderungen und schnellere Genehmigungsverfahren in der Baubranche. Zu einer Maßnahme mit mittlerem finanziellem Aufwand beziehungsweise Risiko für den Staat zählt Morariu den Zugang zu Krediten. Durch staatliche Garantien für Banken könnte dieser erleichtert werden. Abhilfe schaffen könnten außerdem die Senkung der Mehrwertsteuer für Baumaterialien und Transaktionskosten in Deutschland. „Letztere können je nach Bundesland bis zu 10 Prozent betragen“, kommentiert Morariu.

Zu der dritten Kategorie, den Maßnahmen, die zwar mit hohen Kosten aber einer schnellen Umsetzung verbunden sind, zählt die Stärkung von Unternehmen in der Baubranche, beispielsweise durch die Möglichkeit einer längeren Kurzarbeit. „Fachkräfte müssen gehalten und ausgebildet werden, um sicherzustellen, dass genug Produktionskapazitäten vorhanden sind, wenn der Markt wieder anspringt“.